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Moras letzte Reise
D.T., 2025

2000 Meter über der Erde trägt der Aufwind Mora weiter Richtung Norden. Die Spannweite ihrer Flügel von stattlichen zwei Metern sorgt dafür, dass ihre 3,5 Kilogramm Körpergewicht schweben können. Moras Flügelspitzen zittern und ihr roter Schnabel ist ein wenig geöffnet. Sie ist 23 Jahre alt. Wie in jedem Frühjahr seit ihrer Geschlechtsreife mit 4 Jahren macht sie sich auf den langen Weg, um zu sich in Bayern fortzupflanzen. Viele Jahre schon steuert sie den Ort an, den die Menschen Pfaffenhofen nennen, den Ort, an dem sie vor langer Zeit ihren Partner Demri getroffen hat und wo sie seitdem auf einem stillgelegten Kamin einer Schule gemeinsam ihren Horst pflegen und ihre Jungen großziehen.

Schöne Erinnerungen kommen Mora hoch, als sie einsam dahingleitet, weit unter ihr Wälder, Felder und die Städte der Menschen. Meist war die Aufzucht ihrer Kleinen erfolgreich gewesen. Viele stattliche Störche waren aus ihrer Verbindung mit Demri hervorgegangen. Nur einmal war es schrecklich ausgegangen, als Regen und plötzliche Kälte den ganzen Nachwuchs, all ihre Kinder, tötete. Doch Mora ist zuversichtlich, dass es in diesem Jahr keine Katastrophe geben würde. Ob Demri bereits im Horst auf sie wartet?
Mora beginnt mit dem Sinkflug, denn sie hat Hunger. Die viele Tausend Kilometer lange Reise zollt Tribut, sie verbrennt viel Energie. Zudem wird der Weg zu ihrem Nistgebiet in Pfaffenhofen immer schwieriger. In geringerer Höhe und am Boden lauern mehr und mehr unnatürliche Gefahren. Riesige weiße starre Flügel bewegen sich im Wind. Die Monster haben immer drei Flügel mit roten Spitzen. Sie machen eine seltsame Bewegung im Kreis herum. Manchmal stehen sie fast still und ein anderes Mal bewegen sie sich sehr schnell. Dann entstehen schwierige Luftverwirbelungen. Die Flügel töten alles, was ihnen zu nahe kommt. Mora hat schon beobachtet, wie ein Schwarm Enten erschlagen wurde. Die Schreie der Artgenossen wird sie nie vergessen. Sie sieht auch oft tote Greifvögel in der Nähe. Für Mora sind diese Flügeldinger daher wahre Monster, Flügelmonster.
Mora muss aufpassen. Selbst wenn sie genügend Abstand zu den Flügelmonstern hält, fährt ihr trotzdem noch heftiger falscher Wind ins Gefieder.

Wieder muss sie Flügelmonstern ausweichen. Ihre Kräfte lassen nach. Schließlich findet sie doch noch eine ausreichend große Fläche für die Landung. Mora sucht den Boden nach etwas Essbarem ab und pickt mehrmals mit ihrem langen roten Schnabel auf den Boden. Die Erde ist trocken, furchtbar trocken, genau wie an so vielen Orten in der Nähe der Flügelmonster. Karges Gras, kaum Insekten, keine Mäuse, sie findet nichts Essbares. Verzweifelt erhebt sie sich erneut in die Lüfte und schraubt sich höher. Noch ein Versuch, und noch einer. Erst bei dem vierten Landeplatz kann Mora genügend Futter finden.

Ob Demri wohl ebenfalls solche Probleme hat? Ob er es in diesem Jahr überhaupt bis zum Horst schafft?
Als Mora nach vielen Wochen Strapazen endlich ihr gewohntes Nistgebiet erreicht, ist sie entsetzt. Vieles hat sich hier verändert. Rings um den Ort, wo sich ihr Horst befindet, stehen nun riesige Flügelmonster. Das Brummen ist überall zu hören.
Fast auf jedem Hügel ist der Wald zerstört, sind nun, viel höher als die Baumwipfel, unzählige Flügelmonster. Es nützt nichts, sie muss eine Strecke zwischen den Windmonstern wählen, wenn sie ihren Horst erreichen will.
In ihrer Not fliegt sie zwischen zwei dieser Monster durch. Sie drehen sich. Es rauscht und brummt. Sie spürt, wie der falsche Wind an ihren Federn zerrt. Da passiert es. Ein Luftwirbel erwischt sie, schubst sie zur Seite. Sie verliert die Kontrolle und driftet auf das andere Flügelmonster zu. Immer näher schubst sie der künstliche Wind in den Gefahrenbereich. Mora gerät in Panik. Mit aller Kraft versucht sie sich aus dem Windstrom zu befreien. Aber dieser Wind ist nicht normal. Falscher Wind. Gefährlicher Wind. Wind vom Flügelmonster. Windmonster! Sie verliert die Kontrolle.

Von oben saust etwas auf sie zu …